Facebook wird in den nächsten Wochen mit seiner „Timeline“ eine neue Profilansicht einführen – und revolutioniert damit die Art und Weise in den Leben der Anderen zu stöbern.
Nach einiger Verzögerung steht der der genaue Zeitpunkt der Einführung der Timeline noch immer nicht fest, es könnte aber bereits Ende November soweit sein. Andere Quellen sprechen von einem Roll-out innerhalb des nächsten Monats.
Experimentierfreudige Facebook-Nutzer können aber auch bereits jetzt die Timeline ausprobieren und sich an der kreativen Gestaltung ihres Cover Photos versuchen.
Facebook Timeline
Was also ist die Facebook Timeline? Auf der einen Seite zunächst einmal lediglich eine neuartige Darstellung der Nutzer-Profile. Auf der anderen Seite ändern sich damit jedoch auch grundlegend die Möglichkeiten, im eigenen und dem Leben der Anderen zu stöbern.
Wo man bisher strikt chronologisch vom Neuesten zum Vergangenen scrollen konnte, ermöglicht die Timeline nun den direkten Zugriff auf jeden Moment des Lebens. Des ganzen Lebens wohlgemerkt, denn die Timeline erlaubt auch nachträgliche Ergänzungen, sogar für die Zeit vor Facebook.*
Dem Nutzer wird so die Möglichkeit gegeben, sein komplettes Leben von der Geburt bis heute bei Facebook auszubreiten – und seinen Freunden oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ein Grund mehr also, nochmals einen Blick in die Privatsphäre-Einstellungen zu werfen.
Daneben sorgt ein erweiterter Social Graph für mehr Interaktionsmöglichkeiten der Apps, die dann – teilweise automatisiert – im Profil erscheinen.
Zeitmaschine
Neben einem direkten Zugriff über die namensgebende Zeitachse bietet die Timeline auch die Möglichkeit auf das Profil über verschiedene Kategorien zuzugreifen, beispielsweise über Check-ins, Friends, Photos oder Likes.
Dazu kommt eine einfache chronologische Navigation, entweder entlang der einzelnen Einträge oder mit einem Sprung direkt in einen bestimmten Monat eines bestimmten Jahres. Facebook ist so freundlich, die Links zu den Monaten, in denen es Statusupdates gab, automatisch zu erstellen. Sowie einen Eintrag für die eigene Geburt – Zeit also, die Kinderbilder zu scannen.
So können Freunde auf einen Klick beispielsweise nicht nur sehen, was ich im Sommer 2008 gemacht habe, sondern sich auch in einer übersichtlichen Kartendarstellung alle Orte ansehen, die ich etwa im August 2008 besucht habe. Oder wie viele Freunde man in diesem Sommer gewonnen hat.
Ich weiß, was Du letzten Sommer getan hast. Und vorletzten.
Das Argument, dass auch in der Timeline lediglich Informationen veröffentlicht werden, die die Nutzer selbst eingestellt haben und die auch heute schon vorhanden sind, greift zu kurz.
Genauso könnte man behaupten, eine Invers- (also Rückwärts-) Suche, um von einer Telefonnummer auf den Anschlussinhaber zu kommen, sei auch bereits mit Hilfe eines Telefonbuches möglich gewesen. Theoretisch mag dies zwar stimmen, praktisch zeigen sich hier aber die zusätzlichen Möglichkeiten, die sich durch Datenakkumulierung und Sortierung ergeben.
Die Timeline geht über eine bloße neue Form der Darstellung hinaus, sie schafft eine neue Qualität der akkumulierten Daten. 1 + 1 sind auf einmal 3.
Vielleicht hatten deswegen manche Kommentatoren den Eindruck, Marc Zuckerberg sei bei der Präsentation seiner eigenen Timeline selbst überrascht gewesen:
Daten-Frühjahrsputz
Ein Daten-Frühjahrsputz, wie Kashmir Hill ihn vorschlägt, ist in jedem Fall sicherlich keine schlechte Idee beim Umstieg auf die Timeline.
Wenn die Party-Bilder der Abschlussfeier, die bis jetzt in den Tiefen des Facebook Profils verborgen waren, auf einen Mausklick für alle wieder verfügbar sind, mag manch einer sich vielleicht tatsächlich als Kurator seiner eigenen Timeline betätigen. (Den direkten Link zum Studienabschluss hat Facebook, wie Links zu allen wichtigen Ereignissen in der Timeline, bereits selbsttätig erstellt.)
Vor allem in Verbindung mit der Kartendarstellung lassen sich erstaunliche Einblicke in das eigene Leben – und eben auch das Leben der Anderen – auf Facebook erlangen. Ein näherer Blick auf Facebooks aufgebohrte Freundes-Listen, um festzulegen, wer diese Anderen sind, lohnt sicherlich ebenfalls.
Charlie White von Mashable sieht bereits weitere Anwendungen für die Timeline, etwa die Darstellung der Geschichte des Familienunternehmens, die Präsentation der „Timeline einer Beziehung“ – statt Diashow – auf der Hochzeit, oder die PR-polierte Darstellung eines Politikerlebens.
Das Leben als Album
Schließlich bieten die Privatsphäre-Einstellungen auch die Möglichkeit, Inhalte nur für sich selbst (naja, und für Facebook) zugänglich zu machen und so ein ganz eigenes, visuell ansprechendes und einfach zu navigierendes, interaktives Album seines Lebens anzulegen. Und vielleicht später an die Enkel weiter zu geben.
Ob die Neuerung einem zusagen wird oder nicht, sollte man am besten selbst ausprobieren. Die Erfahrung zeigt, dass erst das Stöbern in der eigenen Timeline die ganze Dimension der Änderungen vor Augen führt.
Die zukünftigen Verwendungen von Facebooks Timeline sind heute jedenfalls noch nicht abzusehen. Die Vorstellung einer Verknüpfung von Timeline und Facebook Pages und damit die Möglichkeit, verschiedene Timelines für verschiedene Zwecke anzulegen, lässt jedoch die langfristige Entwicklung erahnen.
In jedem Fall begibt sich Facebook mit der Timeline auf eine neue Ebene – und es bleibt spannend, wie die Nutzer diese Änderungen annehmen.
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* Ja, es gab ein Leben vor Facebook.
Photo: Diana.82/flickr (CC BY-NC-ND 2.0)
Eine Antwort
„* Ja, es gab ein Leben vor Facebook.“ Haha! Mal abwarten ob wir das Kindern erklären können werden, die erst in den letzten Jahren geboren wurden. Wird sicher nicht so einfach. Die Timeline ist aus meiner Sicht ein absurdes Ding weil so eine Nachhaltigkeit unserer banalen Leben noch nie zuvor da gewesen ist – wer weiß was es aus uns noch macht.